Mutprobe

Mittwoch 26.8.2020

Heute soll für uns alle ein Reisetag sein. Meggi und Rolf fahren weiter nach Mailand und ich nach Hause an den Rhein.

Aber nicht einfach nur so. Ich habe Zeit, ich habe Urlaub und will noch etwas von der Schweiz sehen. 

Gegen 10:30 Uhr breche ich auf, will aber zuerst wieder den Camperpflichten nachkommen und zur Entsorgung fahren. Auf Camping Paradiso Lago ist das mit einem Abfluss mitten auf dem Weg direkt vor dem Waschhaus gelöst. Ein blauer Gullideckel muss dafür entfernt werden. Man bracht schon ordentliche Muckis um den Deckel halb unter dem Auto anzuheben, aber ich schaffe es.

Der grobe Plan ist einmal quer durch die Schweiz nach Basel und dann weiter durchs Rheintal nach Hause an den Rhein.

Würde es regnen, würde ich mich für die Strecke mit den meisten Tunneln entscheiden, davon gibt es in der Schweiz hunderte wenn nicht noch mehr. Doch die Sonne scheint und die Luft ist relativ klar. Mit der Vignette könnte ich natürlich den Gotthardtunnel nehmen, aber wie gesagt …

Kleiner Rückblick. Als Kind waren wir mit der Familie eher in den Bergen als am Meer im Urlaub. Ein paar Mal in Südtirol und mindestens zwei Mal in der Schweiz. Ich muss zwischen 5 und 10 Jahre alt gewesen sein, als wir in Grächen im Wallis Aktivurlaub gemacht haben. (Aktivurlaub bedeutete damals: Jeden zweiten Tag große Bergtour, am Tag dazwischen Ruhetag = kleine Bergtour). Damals gab es noch nicht so viele Tunnel, daher fuhren wir diverse Passstraßen, die unserem Vater offenbar viel Spaß gemacht haben. Man bedenke, dass wir ein sehr kleines Auto hatten und die Fahrzeugtechnik mit dem heutigen Stand nicht zu vergleichen ist. Jedenfalls muss auf der Passstraße zum Furkapass etwas passiert sein, was mich zutiefst erschüttert und verängstigt hat. Noch Jahre später bekam ich Angstzustände wenn ich den Namen Furkapass nur hörte.

Um mir selber Mut zu zeigen und vielleicht das Trauma von vor über 50 Jahren zu überwinden entschließe ich mich, den Gotthard zu fahren, aber nicht den Tunnel sondern den Pass zu fahren. Mein Camper ist Baujahr 2020 und mit starkem Motor und Automatik ausgestattet, beste Voraussetzungen. Die Passfahrt macht Spaß und ist ein tolles Erlebnis. Leider liegt der Pass in einer Schneise, so dass eine Fernsicht nicht möglich ist. Viel später habe ich auf Bildern gesehen, dass kurz vor dem Pass ein Panorama-Aussichtspunkt ist, der wohl eine tolle Weitsicht freigibt. Vor lauter Konzentration bin ich da wohl dran vorbei gefahren. Es gibt schlimmeres.

Auf der Abfahrt nach Göschenen ist viel von der ganz alten Gotthardbahnstrecke zu sehen, allein dafür lohnt sich die Fahrt schon. Ich halte immer wieder an um zu staunen.

Die nächste interessante Region ist Luzern mit dem Vierwaldstädter See. Leider gibt es wenig Möglichkeiten zum Anhalten und Ausschau halten, so muss ich die Bilder weitgehend in meinem Kopf speichern und nicht auf SD-Karte. 

An der letzten Steigung vor dem endgültig flachen Teil der Schweiz in Richtung Basel traue ich meinen Augen nicht. Da sind tatsächlich schneebedeckte Berge am Horizont zu sehen und WOW, da kommt auch gleich ein Autobahnparkplatz, bestimmt mit Panoramablick. Doch leider wird der Panoramablick durch relativ dichte Bäume verdeckt, keine Ahnung, warum das so ist. Ich versuche, mit etwas Verrenkung einen Blick zu erhaschen und fahre zugegebenermaßen etwas enttäuscht weiter.

Kurz nach Basel kommt die Landesgrenze und dann zieht es sich endlos hin. Obwohl ich selbst sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland mit dem Camper meist zwischen 100 und 110 km/h fahre (ist entspannter und spart Sprit), empfinde ich das Fahren mit generellem Tempolimit 120 sehr viel angenehmer. Zugegeben, mit meinem anderen Auto fahre ich auch gerne mal schnell. So ist das eben mit den zwei Seelen in der Brust.

Dankbar, bewahrt und mit vielen tollen Erlebnissen im Gepäck komme ich Zuhause am Rhein an und bereite mich gedanklich auf die nächsten Tage vor.

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