Isolation = Langeweile ?
Was war das für eine Woche. Eine kleine Chronik.
Montag:
Die zweite Homeoffice-Woche beginnt. So langsam sind wir daran gewöhnt. Skype-Besprechungen und Telefonate werden zur Routine und füllen mindestens den halben Arbeitstag.
Nach den Erfahrungen vom Sonntag bin ich aber nebenbei voll im 3D-Druck-Fieber. Natürlich arbeite ich, aber nebenbei läuft der Drucker und der Blick geht immer wieder dort hin. Die Drucke scheinen gut zu laufen. Nach Feierabend fahre ich nach Kirchheim in den dortigen Baumarkt, weil ich dort am ehesten vermute, dass ich Plexiglas für die Schutzschilde bekomme. Sieht erst mal nicht danach aus. Dann finde ich aber doch Rollglas. Genau das was ich mir ausgedacht hatte. Ich nehme erst einmal einen halben Meter zum ausprobieren. Für Gummiband fahre ich weiter zum Edeka, bei dem ich jahrelang unseren Wocheneinkauf gemacht hatte. Dort finde ich Knopflochband von PRYM, auch genau, was ich brauche. Auch davon nur eine Packung zum Testen. Am Abend Telefonate und Drucken. Noch läufts ganz gut.
Im Laufe des Tages erreichen mich zwei sehr nette Mail-Rückmeldungen auf meine Mail, die ich letzten Sonntag an alle Bewohner des Wohnblocks geschrieben und zu der Musikaktion "Ode an die Freude" eingeladen hatte. So verändert der Virus auch unsere nachbarschaftlichen Beziehungen.
Dienstag:
Wieder viele Skype-Besprechungen und zwischendurch ein Telefonat mit der Filialleiterin der Volksbank in Rheinhausen. Es stellt sich heraus, dass die Dame in der selben Straße wie ich in Rheinhausen wohnt. In großer Offenheit konnten wir über meine Fragen sprechen. Ich bin dankbar, einen weiteren sehr netten Kontakt in Rheinhausen zu haben.
Über Mittag mache ich einen Spaziergang zum nahegelegenen Baumarkt und finde auch dort Rollglas, das ich mir in der richtigen Breite zuschneiden lasse, so ist die Montage einfacher. Außerdem finde ich noch eine Lochzange und eine Blechschere um die Plexiglasscheiben zuzuschneiden. Nach Feierabend montiere ich die ersten Schutzschilde, ein kleines und ein großes.
Dann rufe ich bei meinem Hausarzt in Kirchheim an und frage nach, ob sie Interesse an solchen Masken haben. Der Arzt war fast gerührt und hoch erfreut über die Anfrage, denn er hatte schon überlegt dass er seine Skibrille für die bevorstehende Behandlung eines Corona-Patienten nehmen soll, die er nicht in der Praxis sondern in einer Garage durchführen wollte. Meine Freude war riesig, dass ich so schnell schon helfen kann. Also rein ins Auto und nach Kirchheim zum Doktor. Am Abend wird weitergedruckt. Da gibt es aber leider schon die ersten Fehldrucke. Die Haftung auf dem Druckbett ist nicht mehr gegeben und die Teile lösen sich während des Druckens, was ein sofortiger Abbruch bedeutet.
Nach der großen Freude macht sich jetzt der erste Frust breit. Aber ich gebe nicht auf. Ich versuche, ein anderes Filament (Kunststoffdraht) zu nehmen, damit scheint nach einigen weiteren Fehlversuchen dann zu klappen.
Mittwoch:
Inzwischen habe ich drei weitere Schutzschilde hergestellt. Mehr werden es jedoch zunächst nicht. Am Feierabend gehe ich bei Nils, meinem Architekten vorbei, um die letzten Unterschrift für den Bauantrag zu leisten und stecke höchstpersönlich den Antrag in den Briefkasten. Nach einigen weiteren Drucktests wage ich es, mehrere Bügel in eine Datei zu packen und den Druck zu starten, Druckzeit über Nacht ca. 12h.
Am Abend sollen alle Glocken in der Stadt läuten. Ich mache mich auf zu einem Spaziergang um den Klängen zu lauschen. Ganz in der Nähe wohnt Christa aus der Gemeinde, ebenfalls allein lebend. Ich rufe sie an und frage, ob sie nicht auf den Balkon kommen will, damit wir uns wenigstens zuwinken können. Sie freut sich über den Vorschlag und bittet mich dann aber doch rein. Im Wohnzimmer unterhalten wir uns auf Abstand eine Weile und ich ziehe dann weiter durch die Stadt.
In den menschenleeren Straßen bleibe ich an den Geschäften stehen und lese mit Betroffenheit die Informationen "Aufgrund der besonderen Situation …". Da verschwinden meine Probleme mit dem Drucker im Nichts. Große Dankbarkeit über meine sehr gute persönliche Situation füllt das wieder auf.
Donnerstag:
Da war ich dann doch zu übermütig. Der Druck geht wieder schief und hat nicht nur den gesamten Druckkopf verklebt sondern auch noch die Zufuhreinrichtung für das Filament verstopft. Jetzt geht gar nix mehr auf dem Drucker. Ich fürchte, ich muss den am Wochenende teilweise zerlegen und reinigen. Der Frust steigt.
Nach ein paar Besprechungen schreibe ich in meiner Unruhe einen Kollegen an, der für die professionellen 3D-Drucker in der Firma zuständig ist und frage um Unterstützung an, die er mir zunächst auch zusagt. Er ist bereit, nebenbei ein paar Bügel für mich mit zu drucken.
Dann bin ich im Autohaus zur Inspektion meines Firmenautos angemeldet. Ich bringe das Auto dort hin und werde mit dem Fahrdienst nach Hause gefahren.
Am Nachmittag bin ich mit ein paar Kollegen zum Plausch verabredet. Normalerweise gehen wir freitags in einer kleine Klicke gemeinsam zum Mittagessen in der Kantine und genießen diesen kollegial freundschaftlichen Austausch. Da das jetzt zur Zeit nicht geht, haben wir einen regelmäßigen Telefontermin einmal in der Woche eingerichtet.
Danach fahre ich mit der S-Bahn nach Zell zum Autohaus. Das Auto ist zwar fertig, aber die Kollegen finden den Autoschlüssel nicht und er zuständige Kollege ist schon im Feierabend.
Also bekomme ich einen kleinen Smart und kann nach Hause fahren. Ich nehme Kontakt auf zu zwei befreundeten Kollegen in anderen Unternehmen, die den gleichen Drucker haben und frage um Rat. Das Problem ist scheinbar bekannt und so erhalte ich einige Tipps, die ich aber noch nicht gleich umsetze. Ich brauche wohl etwas Abstand. Das Wechselbad der Gefühle macht mir doch ziemlich zu schaffen. Und da ist ja auch noch das Corona-Problem.
Übrigens - der Humor darf in diesen Zeiten nicht fehlen. In einer meiner WhatsApp-Gruppen werden vornehmlich humorvolle Beiträge geteilt, insbesondere zum Thema Homeoffice. Siehe Beitragsbild.
Freitag:
Der Arbeitstag beginnt mit einer Webkonferenz mit ca. 35 Teilnehmern, wobei es mehr ein Vortrag war, bei dem dann auch Fragen gestellt werden können. Einige weitere Telefonate füllen den Arbeitstag. Unter anderem telefoniere ich mit dem Assistenten unseres Vorstandsvorsitzenden, der inzwischen alle Anfragen und Aktivitäten des Unternehmens bezüglich Bauteilen für Medizingeräte koordiniert. Anders als in USA, wo ja jetzt per Gesetz Unternehmen zur Produktion von Beatmungsgeräten gezwungen werden, ist die Unterstützung durch Unternehmen bei uns noch rein freiwillig. Nach meiner Wahrnehmung ist jedoch gerade hier eine extrem hohe Dynamik zu spüren. Jedenfalls hat sich dieser Kollege über mein Engagement gefreut und versprochen zu helfen, sobald er die Möglichkeit dazu sieht.
Am Nachmittag beende ich durch Wegschließen des Firmenlaptops die Arbeitswoche. Es ist wichtig, auch im Homeoffice eine gute Trennung zwischen Arbeit und Freizeit zu haben, sonst verschwimmt das zu sehr und man ist versucht, bis in die Nacht hinein noch geschäftliche Mais zu lesen.
Jetzt mache ich den zweiten Versuch, mein Firmenauto wieder zurück zu bekommen und fahre mit dem Smart ins Autohaus, eine interessante Erfahrung. Von dort aus zieht es mich nach Kirchheim, ich hatte das Gefühl, dass ich die beiden Tanten besuchen sollte. Wir haben uns telefonisch verabredet, das die beiden ans offene Fenster kommen und so hatten wir eine schöne Begegnung bei herrlichem Wetter am offenen Fenster. Aufgrund ihrer leichten Hörschwäche muss ich näher ans Fenster ran gehen. Vorausschauend habe ich eines meiner Schutzschilde dabei und kann das jetzt gut selbst zum Einsatz bringen.
Zum Sonnenuntergang setze ich mich aufs Rad und fahre hoch aufs Jägerhaus. Die Spannung zwischen der extremen Krisensituation und dem "normalen" Leben und Erleben ist kaum zu ertragen.
Am späten Abend dann mache ich mich doch mal an die Reinigung des Druckers und bin ganz erstaunt, wie problemlos das funktioniert, ganz ohne Zerlegen des Druckkopfes. Hocherfreut nehme ich zur Kenntnis, dass der Drucker danach wieder funktioniert. Allerdings ist das Problem mit der schlechten Haftung auf dem Druckbett noch nicht wirklich gelöst. Aber trotzdem schlafe ich in dieser Nacht wieder sehr gut und entspannt.
Samstag:
Es ist mal wieder Zeit, in der Wohnung etwas zu putzen. Nebenbei läuft ein Probedruck, der leider auch wieder schief geht. Jetzt versuche ich, einige Tipps von erfahrenen Druckern umzusetzen und besorge im Baumarkt (der jetzt übrigens auch Klopapier verkauft) diverse Klebemittel, die ich aber noch nicht einsetze. Ein weiterer Probedruck mit anderem Filament gelingt grade so. Eine Seite des Bügels hatte sich gelöst, aber der Druck hat bis zum Schluss doch gerade so funktioniert. Es ist im Moment ein extremes Geduldsspiel.
Am späteren Nachmittag zieht es mich bei dem herrlichen Wetter nach draußen. Ich will einen Spaziergang machen und rufe Christa an, ob sie nicht Lust hat, mit zu laufen. Sie willigt erfreut ein und holt mich mit dem Auto ab. Um den geforderten Sicherheitsabstand einzuhalten, steige ich hinten ein. In normalen Zeiten wäre das ziemlich komisch, aber in diesen anderen Zeiten ist das völlig normal. Der Spaziergang unterhalb vom Jägerhaus und der Gedankenaustausch tut uns beiden gut.
Am Abend dann beklebe ich das Druckbett mit Bluetape, das eigentlich ein sehr hochwertiges Maler-Abklebeband ist, soll aber für die Verbesserung der Haftung auf 3D-Druckbetten sehr gut geeignet sein. Ein erster Testdruck geht schief, der zweite haftet jedoch extrem gut. Das macht mir wieder Mut, weiter zu experimentieren und Bügel für die Schutzschilde zu drucken.
Beim nächtlichen Spaziergang auf meiner Standardrunde begegnet mir in den ca. 50 Minuten kein einziger Mensch. Nur ein Radfahrer hat mich überholt.
Die Frage im Titel zu diesem Beitrag kann ich für mich zumindest mit Blick auf diese Woche mit einem herzhaften NEIN beantworten.