Rast in Kirchheim

Heute sollte ein reiner Reisetag werden. Von Hamburg durchzufahren bis in die Vorderpfalz war mir zu weit, also suchte ich mir einen Ort auf der Strecke, der bis zum frühen Nachmittag erreichbar ist.In Hamburg bin ich tatsächlich wie geplant ganz früh, also gegen 8:00 Uhr losgekommen. Gleich nach der Ausfahrt aus dem Womohafen sah ich einen Bäcker und hielt an um mir Brötchen fürs Unterwegs-Frühstück zu kaufen. Das war auch gut so, denn als ich von hinten an das geparkte Womo kam musste ich feststellen, dass die Plane, mit der ich den Segler eingepackt hatte, das Nummernschild verdeckt. Das wäre im Ernstfall teuer oder zumindest peinlich geworden. So konnte ich die Sache noch rechtzeitig richten und dann beruhigt in der Kühle des Morgens weiterfahren. Aus der Erfahrung der letzten 25 Jahre Dänemark war der Elbtunnel als Bestandteil der A7 so in meinem Bewusstsein, dass ich eigentlich auch dieses mal da lang fahren wollte. Nun habe ich mich aber auf das Navi (das übrigens speziell für große Womos eingestellt ist und mir z.B. kritische Höhen anzeigt, eine tolle Sache) verlassen, das mich auf der anderen Seite des Hafens auf diversen kleineren Autobahnen relativ schnell zur A7 Richtung Hannover führte. Als ich dann im Radio von den Staus vor dem Elbtunnel hörte, war ich froh um die Navigationshilfe.Auf der guten und fast staufreien Fahrt wurde es immer wärmer. Schon für das Frühstück suchte ich mir einen schattigen Parkplatz und genoss dann den autark zubereiteten Kaffee. Leider war die in DK gekaufte Milch schon sauer, macht nix, hab ich Cappuccino gemacht.Dass ich keine Fahrerhausklimaanlage habe, erwähnte ich schon mal. In einem der vielen Schränke fand ich einen 220V Ventilator, den ich in der zweiten Hamburg-Nacht erfolgreich in Betrieb nahm. Dazu fand ich noch einen 12V Ventilator, den ich heute auf der Fahrt zum Einsatz brachte und der zumindest die Luft im Fahrerhaus etwas in Bewegung hielt. Ich könnte auch bei offenem Fahrerhausfenster fahren, das ist aber laut und die LKW-Abgase zu inhalieren macht auch keinen Spaß. Da ich mit meinem Fahrzeug trotz LKW (weil über 3,5 t) 100km/h fahren darf, kann ich die meisten richtigen LKWs überholen und komme so auch besser vorwärts.Mittags machte ich eine Vesperpause wobei es sehr schwierig war, einen schattigen Autobahnparkplatz zu finden. Als LKW muss ich mich auf den meisten Autobahnparkplätzen zu den LKWs stellen und da fand ich einen 40-Tonner, der aufgrund seiner Höhe und der Sonnenstellung so viel Schatten neben sich fallen lies, dass ich da reinpasste. Wenn man dann das Dachfenster öffnet und die Türe offen lässt, kommt etwas frische Luft ins Fahrzeug.Zu dem Stellplatz, den ich mir unterwegs ausgesucht hatte für die Nacht, musste ich in Kirchheim am Kirchheimer Dreieck die Autobahn verlassen. Zum Kirchheimer Dreieck muss ich zwischendurch erzählen, dass das bei unseren Urlaubsfahrten in den vielen  Jahren immer eine besondere Rolle gespielt hat. Das war so ein Ankerpunkt, an dem wir meistens getankt haben, manchmal auch bei den gothischen Bögen (so nannte Heike immer die Burgerkette mit dem großen M in einer Zeit, in der die Kinder noch kleiner waren und wir uns so verschlüsselt verständigt haben, ob wir da einkehren oder nicht) anhalten, jedenfalls war das so ein Ort, an dem wir wussten, wir haben schon ein gutes Stück der Strecke geschafft, nordwärts wie südwärts.Dummerweise habe ich heute trotz Navi die falsche Ausfahrt erwischt und musste nochmal 20 km Autobahn fahren um wieder an diese Ausfahrt zu gelangen. Inzwischen begann es heftig zu regnen. Die Scheibenwischer verschafften die Wassermassen kaum und ich musste mir den Campingplatz am Seepark in Kirchheim suchen. Da waren zwar noch genug Plätze frei aber da gefiel es mir gar nicht und so nahm ich Plan B in Angriff (ich habe immer einen Plan B) und fuhr weiter nach Oberaula um zu schauen, ob am Reiterhof Aumühle noch ein Platz frei ist. Inzwischen hatte es auch aufgehört zu regnen und ich bekam einen genialen Platz auf einem kleinen aber sehr schönen und urigen Womo-Stellplatz. Das ist ein echter Geheimtipp. Man fühlt sich hier wie in einer großen Familie. Und es gibt WLAN, bin mal gespannt, ob das heute mit den Bildern klappt.Die Hofdame begrüßte mich mit Handschlag und zeigte mir alles. Nachdem ich Strom angeschlossen hatte und die Sonne wieder in voller Schönheit am Himmel stand, zog ich das Fahrrad aus der Garage und machte mich auf Erkundungstour. Zuerst nach Oberaula. Ein beschaulicher Ort mit vielen blitzsauberen Fachwerkhäusern und einem frisch renovierten Kirchturm. Ich kam auf dem Marktplatz auch gleich ins Gespräch mit Einheimischen und fragte, wo, in welcher Region ich hier eigentlich bin. Eine meinte, das sei hier Mitteldeutschland, ein anderer, das sei die Gegend zwischen Knüll und Rhön. Ich sage - in einer sehr reizvollen Landschaft mitten in Hessen. Laut Google liegt der Ort im Schwalm-Eder-Kreis in Nordhessen.In Oberaula gab es einen Abzweig nach Friedigerode. Ich wollte wissen, wie ein Ort aussieht, der so heißt. Laut Schild am Ortseingang "Dollstes Dorf in Hessen 2018" aber offenbar am Ende der Welt gelegen, denn am Ortsausgang war das typischerweise rot durchgestrichene Ortsschild von Friedigerode ohne Hinweis auf den nächsten Ort und daneben ein Sackgassenschild.Ich radelte wieder zurück nach Oberaula, ein Stück an der Aula entlang und dann auf einem ausgewiesenen Fahrradweg nach Wahlshausen. Auch ein Ort mit gefühlt nicht mehr als 500 Einwohnern aber einem offenbar regen Dorfleben. An verschiedenen Stellen wurde zum Sonntagskaffee ins Haus der Generationen eingeladen, außerdem waren auf verschiedenen Plakaten Kinder sehr präsent. Das hat mich sehr beeindruckt.Jetzt sitze ich hier in meiner mobilen Ferienwohnung bei weit offenen Fenstern, schreibe mit Freude den heutigen Bericht und lausche dem Plätschern der Aula, die 5 m neben meinem offenen Fenster in einem kleinen Wasserfall den Hügel herunter und unter meinem Wagen durch ein Rohr fließt. Schaue ich zur anderen Seite aus der offenen Türe, sehe ich die Aula bedächtig durch das Schilfgras an den anderen vier Wohnmobilen vorbeifließen. Hier lasst uns Hütten bauen ...

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Hamburg auf zwei Rädern