Campanile
Die Wettervorhersage hat wieder eine Punktlandung gemacht. Ich wache (mit Wecker) gegen halb acht auf, öffne den Fensterladen und sehe, wie die Spitze des Campanile bereits in der Morgensonne leuchtet. Jetzt gibt es kein Halten mehr. Das geht heute auch nur mit guter Planung. Erst duschen, dann den Koffer und die Taschen packen. Habe ich schon erwähnt, dass ich immer mit großem Gepäck reise?
Durch systematisches und optimiertes Packen passen auch die Einkäufe noch locker rein, zum Glück hat der Koffer gute Rollen. Ich werde leicht nervös weil ich diesen offenbar sonnigen Tag nochmal richtig ausnutzen will. Zeitbegrenzung ist Abfahrt des Zuges um 13:50 Uhr.
Plan lautet: Frühstück bis 9:00, dann los. Das klare sonnige Wetter lädt zu einer Turmbesteigung auf der Insel San Giorgio Maggiore ein. Plan ist weiter, gegen 12:00 Uhr mit Gepäck und Vaporetto ein letztes Mal durch den Canale Grande zum Bahnhof Ferrovia zu schippern.
Gepäck bleibt so lange in der Lobby des Hotels unter Aufsicht, Grazie. Ich gehe los und bleibe - wie kanns auch anders sein - auf dem Markusplatz hängen. Dort sehe ich lauter Motive um mich herum, werde ganz hibbelig weil ich doch diesen Plan habe, aber das ist jetzt die Gelegenheit die Bauwerke und die Menschen in einem völlig anderen Licht zu sehen, wobei ich mit Sehen natürlich durch den Sucher sehen meine.


Die Chinesen haben heute wieder die Hoheit auf dem Platz, meist in geführten Gruppen, wie so Vogelschwärme fühlt sich das an. Aus den Kanälen quillen die Gondeln nur so hervor. Es ist herrlich, einfach nur zu beobachten und zu knipsen.
Jetzt beginnt langsam ein innerer Kampf. Überfahrt zur Insel ist jetzt dran, andererseits ist das Licht gerade ideal, in einer Stunde steht die Sonne höher, da ist es nicht mehr so klar. Kompromiss, ein paar Bilder noch, dann los.

An der Haltestelle S.M. Zaccaria wartet praktisch die Linie 4.1 schon auf mich. Die Überfahrt dauert nicht lange, nur ca. 20 Aufnahmen, vielleicht auch ein paar mehr. Man fährt ja quasi aus dem Epizentrum der Stadt auf einen abgelegenen Punkt, um die Stadt als ganzes und von oben herab zu sehen.

Auf der Insel angekommen, treffe ich andere Fotografen mit großen Kameras, fühle mich in guter Gesellschaft. Da ich nur die groben Eckpunkte geplant und ich nicht über Details informiert habe, suche ich den Eingang zum Glockenturm auf San Giorgio, frage mich durch und gehe wie beschrieben in die Kirche rein. Dort verliert sich die Ausschilderung und ich irre umher, werde immer nervöser und frage mich, was da gerade mit mir passiert. Dann endlich entdecke ich eine offene Türe und dann auch wieder ein Schild Richtung Campenile.
Praktisch keine Wartezeit und ein Aufzug bringt uns nach oben. Es ist wie ein Traum. Keine Wolken, die Sonne von der richtigen Seite und eine Aussicht, unbeschreiblich.


Nach einiger Zeit wird das Klicken des Auslösers durch Glockengeläut abgelöst. Damit das Geläut in den hintersten Gassen der Stadt noch hörbar ist, müssen die Glocken entsprechendes leisten. Was das bedeutet, wenn man unmittelbar unter den Glocken steht, brauche ich sicher nicht näher zu beschreiben. Noch etwas taub davon fahre ich wieder nach unten und begebe mich so langsam in Richtung Vaporetto. Die vermeintlich richtige Linie kommt sodann auch gleich und ich steige ein, wundere mich aber über die Richtung. Frage nach beim Personal und höre: "No, not San Marco." Also an der nächsten raus und schauen, wie ich wieder nach San Marco komme. Das Vaporetto-System ist wirklich gut und so lande ich wieder sicher bei Zaccaria. Die Kamera will einfach nicht still halten, muss aufpassen, dass das nicht zur Sucht wird.
Es ist kurz vor 12:00 Uhr, bin also voll im Plan. Lasse mich von der Menschenmenge in Richtung Hotel schieben und suche den richtigen Eingang in mein Viertel. Erst jetzt wird mir klar, dass die utrakleine Gasse namens Calle de la Rizza nichts anderes als die Ritze heißt, was diesen Spalt zwischen den Häusern gut beschreibt.

Mein Gepäck ist mittlerweile hinter einem Berg anderer Koffer verschwunden, die Grabungsversuche waren aber erfolgreich und so geht’s zurück zu Zaccaria. Vorsorglich hatte ich mir schon angeschaut, welche Linie mich durch den Canale Grande führt. Mit der 2 bin ich angekommen, mit der 1 reise ich wieder ab.

Diese Fahrt auf dem Canale ist nochmal ein tolles Geschenk. Ich erlebe die mitfahrenden Menschen die ganzen Tage schon höflich und relaxt, so bekomme ich mit der Kamera um den Hals auch immer einen Stehplatz direkt an der Reeling. Eine knappe Stunde dauert diese Fahrt, war ja entsprechend eingeplant.

So eine kleine Liste, was ich machen und erleben möchte hatte ich schon. Darauf stand u.a. Gelato, und das gönnte ich mir jetzt noch in der Nähe des Bahnhofs, herrlich.
Der EC 86 nach München war angezeigt, jedoch noch ohne Gleisangabe. Ich frage eine junge Frau auf Englisch, ob sie weiß, ob in diesem Bahnhof kostenfreies WiFi gibt und merkte an, that we have in Germany WiFi on every Railwaystation. Darauf sie: Ja, ich weiß. Aber von einem freien WLAN wusste sie auch nix. In diesem Moment klickte die Anzeige um. Ah, Gleis 7, müssen Sie auch nach München? Dann verlor sich ihre Spur.

Der Schaffner tanzt nochmal zum Abfahrtspfiff, so sind sie halt, die Italiener, einfach liebenswert.

Seither sitze ich in Wagon 262 und fahre im Moment durch Norditalien bei wechselhaftem Wetter und schreibe meinen vermutlich letzten Blogbeitrag von dieser Reise, der vermutlich erst am Samstag online geht weil ich heute Abend erst gegen 24:00 Uhr Zuhause sein werde.
In den nächsten Tagen werde ich ein paar weitere Beiträge mit kommentierten Bilderserien hochladen. Wer mag, kann also noch meinen Rückblick miterleben.
Einige Kommentare haben mich in den letzten Tagen erreicht, lieben Dank dafür. Der Blog gibt mir einerseits die Möglichkeit, das Erlebte festzuhalten, zu verarbeiten und weiterzugeben, andererseits habe ich dadurch das starke Gefühl, nicht alleine zu reisen. Das tut mir sehr gut, vielen herzlichen Dank an alle "Follower", mit oder ohne Kommentar.